II - Kapitel 3
07.Jun.23 .. 17:26 Uhr
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Orte, Personen

Hilfe, Technik

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The Great Sun Jester << Seite 1 >>

Für einen Beobachter auf einem der zahlreichen Asteroiden zwischen Mars und Jupiter sähe die vorüberziehende SUN JESTER aus wie ein klappriges Gestell, in das Kinder ein paar Stangen, Bälle und Kisten gehängt hatten.

Die menschlichen Reisenden hatten bei der Annäherung an das Raumschiff allerdings einen anderen Eindruck bekommen.

Die über einen halben Kilometer lange Röhre in der Mitte beherbergte den Pulsresonanzgenerator, der den Sprung durch Zeit und Raum ermöglichte; ausserdem bildete sie das zentrale Teil des riesigen Gerüsts aus einer Titanlegierung, in dem die Materialcontainer, die Gewächshäuser, die zylinderförmigen Treibstoff­tanks sowie die Landfähren befestigt waren. An der Spitze drehte sich der große Ring, in dem sich die Kontrollräume, die Quartiere der Besatzung und häufiger benutztes Material befanden. Dieser Ring war immerhin noch über 20 Meter dick und hatte einen Durchmesser von nahezu 100 Metern. Er drehte sich gerade so schnell, dass die Fliehkraft der Besatzung das Gefühl von normaler Schwerkraft gab.

Am anderen Ende des Schiffs war so etwas wie ein riesiger Parabolspiegel angebracht, von dem während der Antriebsphase ein schwaches, eiskaltes, blauweisses Glimmen ausgegangen war.

In den ersten zwei Wochen hatten sie ununterbrochen mit etwa 1 g beschleunigt, während dieser Zeit hatten die acht Segmente des Rings einfach an den Verbindungsstücken gehangen. Jetzt, wo die Reise antriebslos weiterging, hatten sie sich in Bewegung gesetzt, um für die Reisenden weiterhin angenehme Schwereverhältnisse zu schaffen.

Sie hatten sich mittlerweile fast 8 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt, sie waren also schon jenseits der Bahn des Pluto; die Sonne war irgendwo weit weg, kaum noch von den übrigen Sternen zu unterscheiden, und spendete ein müdes Licht.

Kado hing locker in einem Sessel in der Kantine, als Oggrd sich zu ihm setzte.

“Wir müssen uns auf den Sprung vorbereiten, es wird nicht mehr einen Tag lang dauern.”

“Gut, ich werde Sergej Kunold unterrichten, damit er unsere Leute zusammenruft und ihnen die entsprechenden Order gibt.”

Eigentlich gab es nicht viel vorzubereiten. Alle Gegenstände waren zu befestigen, in Schränke oder Kisten zu räumen, nichts, vor allem keine schweren Teile durften herumfliegen. Schliesslich musste sich jeder in sein Bett begeben und festschnallen. Die Knn schilderten den Sprung als nicht sonderlich unangenehm, lediglich eine leichte Benommenheit, die einen halben Tag anhielt, war bei ihnen die Folge gewesen.

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“Na ja, ein paar Leute haben auch ein zweites mal frühstücken müssen, weil sie das erste nicht behalten wollten, aber das waren nur ein paar”, ergänzte Oggrd, wobei er ein schwaches Grinsen andeutete.

Kunold war der Leiter des “menschlichen Teils” der Expe­dition; zu Kados leichtem Missfallen hatte er diesen Posten bekommen, um, wie Präsident Scribantes sagte, den nichtmili­tärischen Charakter der Reise zu betonen.

“Blöden Zivilisten”, hatte er vor sich hingemurmelt, um dann nach einem Blick zur Seite verlegen hinzuzufügen: “Außer euch natürlich!”

Paul und William, die neben ihm gestanden hatten, schmun­zelten schadenfroh. Ihr Verhältnis zu Kado war mittlerweile eine herzliche Freundschaft geworden.

Die Zeit nach dem ersten Zusammentreffen mit Oggrd und Brzz war rasend schnell vergangen. In großer Eile mußte eine Mannschaft zusammengestellt werden, die möglichst viele Wissensgebiete umfasste; auch politische und religiöse Interessen waren zu berücksichtigen. Material musste zusammengestellt und zum Teil unter äusserstem Zeitdruck entwickelt und dann in den Orbit gebracht werden. In noch größerer Hektik mußte das Material über den Planeten, von dem die Knn unverrichteter Dinge abgezogen waren, gesichtet und ausgewertet werden.

Der Planet, sie hatten ihn Terkan genannt, war wie auch Knn etwa erdengroß, die Atmosphäre war ähnlich. Es gab weniger Stickstoff und Sauerstoff als auf der Erde und Knn, dafür lag der Anteil an Edelgasen bei fast drei Prozent und der Luftdruck war etwas höher. Terkan war fast 200 Millionen Kilometer vom Zentralgestirn entfernt, also ein Drittel weiter als die Erde von der Sonne. Da die Terkanatmosphäre aber einen etwas höheren Gehalt an Treibhausgasen aufwies und die Terkansonne geringfügig größer war als die irdische, waren die Temperaturen ähnlich wie auf der Erde.

Die wichtigste Eigenschaft von Terkan war jedoch, dass es dort Lebewesen gab, die den Menschen und den Knn sehr ähnlich schienen.

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“Genaueres können wir nicht sagen, da wir nur kurz auf der Oberfläche waren, in einem Wüstengebiet, und wir hatten keinen Kontakt zu den Einheimischen”, hatte Brzz erläutert.

Erstaunlich war, dass keine zusammenhängenden Siedlungs­gebiete auf dem Planeten zu finden waren. Es gab neben einer Siedlung in dem Wüstengebiet noch weitere 18 größere Siedlungen, die weit verstreut in regelrechten Vegetationsinseln lagen, insgesamt waren es vielleicht eine Million “Menschen”, die über eine einfache, mittelalterliche Technologie zu verfügen schienen. Die meisten dieser Siedlungen waren in extrem sumpfigen, urwaldähnlichen Teilen von Terkan, wenige lagen an Flußoasen wie der besuchte Ort, zwei in unwegsamen Hochgebirgsgegenden. Das Problem von Terkan war offensichtlich, dass es dort im Durchschnitt sehr trocken war, der Boden war entsprechend unfruchtbar. Wenn aber Wasser vorhanden war, dann meist in Form von Matsch und Morast.

Knn dagegen war ein insgesamt sehr trockener Planet, daher fehlten den Knn die Erfahrung über die Erforschung von Gebieten mit großer Feuchtigkeit. Sie betrieben die interstellare Raumfahrt zwar schon seit fast hundert Jahren, hatten aber bisher erst 28 Expeditionen mit ihren drei Schiffen durchgeführt. Knn verfügte weder über genügend Menschen noch über ausreichende materielle Ressourcen, um in größerem Umfang ins All vorzustossen. Nicht zuletzt war der Unterhalt und die Wartung der drei Schiffe nicht nur ein materielles, sondern auch ein zeitliches Problem.

Die bisherigen Expeditionen der Knn hatten zwar dazu geführt, dass in fremden Planetensystemen einige automatische Fabriken errichtet worden waren, die ein paar Rohstoffe gewannen, die auf Knn nur unter erheblich höherem Aufwand hätten gewonnen werden können. Die Transportkosten waren aber gewaltig, sodass diese Fabriken bisher nur an drei Stellen im grossen weiten Universum standen.

“Terkan war der erste bewohnte Planet, den wir fanden. Wir waren wirklich überrascht, dass die Bewohner uns so ähnlich sahen. Noch überraschter waren wir, dass ihr uns ebenfalls so ähnelt. Wir glauben, dass dieses Bauprinzip für intelligentes Leben wohl ideal ist”, erzählte Hrrg, der Oberbiologe der Knn.

Paul schaute kritisch.

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“Mag sein, aber komisch finde ich das schon, dass alle so gleichartig sind, das ist ja schon uniform.”

“Nun, die Bedingungen sind eben auch sehr ähnlich, unter anderen Bedingungen würden sich vielleicht andere Lebensformen bilden”, gab Hrrg zu bedenken. Paul war aber nicht recht zu überzeugen.

“Irgendwas stimmt da nicht! Bei uns ist es ja fast der gleiche Chromosomensatz, eine weitgehende genetische Übereinstimmung, dieselben Aminosäuren, da glaubt man ja fast an die kleinen grünen Männchen.”

“Vielleicht gibt es doch einen Schöpfer, der uns wie auch euch geschaffen hat”, meinte Hrrg.

Paul dachte nach. Er konnte nicht an einen Schöpfer glauben, der alles so fein eingefädelt hatte und dann noch sämtliche Hinweise so gestaltete, dass es so aussah, als hätte sich alles natürlich entwickelt. Die Evolutionstheorie war zwar bisher noch nicht in allen Einzelheiten genau nachvollzogen werden; vor allem die Entstehung der Zellen war wegen der fehlenden Fossilien noch nicht genau nachzuvollziehen. Der grobe Gang der Entwicklung war aber eigentlich klar und wegen der riesigen Zeiträume von mehreren Milliarden Jahren auch nicht so unwahrscheinlich, wie einige religiös orientierte Denker weismachen wollten. Noch wichtiger war aber, dass alles, was man in diesem Zusammenhang an neuen Entdeckungen machte, in diese Theorie hineinpasste und ihm nichts einfiel, was dieser Theorie grundlegend widersprach.

Trotzdem, diese Ähnlichkeit zwischen ihnen und den Knn, und das bis in den Aufbau der Zellen und der grundlegenden Biomoleküle hinein, das war ihm einfach zuviel Zufall. Irgend etwas war da faul.

Später sprach er mit William darüber.

“Ich bin da nicht der richtige Gesprächspartner, aber mich machen auch einige Sachen stutzig. Wieso sind unsere Knn nicht sofort heimgeflogen mit der Triumphmeldung: Fremdes Leben gefunden!?”

“Deren Begründung von wegen zwei Missionen zusammen spart Zeit, das machen wir immer so, das ist nicht überzeugend”, bekräftigte Paul. “Ich vermute, die haben sich einfach wieder verzielt und sind zufällig bei uns statt in ihrem eigenen System gelandet. Dann haben sie das beste daraus gemacht.”

Beiden war aufgefallen, dass die Technologie der Knn eigentlich nicht fortgeschrittener war als die der Menschen. Ihre Elektronik war sogar weniger miniaturisiert als die der Erde, obwohl sie schon erheblich länger über die Grundlagen verfügen mussten als die Menschen. Biotechnologie war fast ein Fremdwort.

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“Die wesentlich geringere Zahl von Individuen bringt eben auch eine wesentlich langsamere Entwicklung mit sich. Die Compu­terhardware, über die sie verfügen, ist weniger leistungsstark als unsere, reichen aber für deren Zwecke locker aus. Offensichtlich haben sie dafür die bessere Software, wir haben uns da viel zu lange schwere Ausnahmefehler geleistet, vor dem Zeitalter des Pinguins. Was sie uns voraushaben ist eigentlich nur, dass sie den Tunneleffekt entdeckt und auch genutzt haben.”

William zuckte mit den Achseln.

“Bedenke, mein Junge, die haben 150 Millionen Einwohner, wir haben über 9 Milliarden, von denen über die Hälfte eine einigermassen gute Bildung haben. Das sind dreissig mal so viele potentielle Forscher wie auf Knn. Stell dir vor, auf der Erde gäbe es nur Deutschland, Frankreich und Benelux, und deren Bevölkerung wäre über die ganze Erde verstreut!”

“Irgendwie erwartet man, dass bei dem hohen Stand der Raumfahrttechnik auch der Rest so hochstehend ist. Ist aber wahrscheinlich Quatsch, rein anthropozentrisches Denken!”, schalt sich Paul.

Später an diesem Tag traf Paul Mona, die Mitglied im Team Biologie und Medizin war. Sie unterhielten sich eine ganze Weile über die medizinischen Probleme, die den Knn das Leben auf Terkan so schwer gemacht hatten. Da gab es einige Mikroorganismen, die unter der Besatzung drei Opfer gefordert hatten.

Mona sah etwas in ihrem Kommunikator nach.

“Das war so eine Art Wundstarrkrampf, aber aggressiver und mit einer kürzeren Inkubationszeit. Wir haben die Leichen untersucht. Kein Wunder, dass die Knn so schnell Terkan verlassen haben.”

Sie zeigte Paul eine Vergrößerung dieses Bakteriums auf ihrem Bildschirm und zum Vergleich den Tetanuserreger. Dann fuhr sie fort.

“Die Ähnlichkeiten sind nicht nur äusserlich, auch die Zusammensetzung der Erbsubstanz ist erstaunlich ähnlich.”

“Wie erklärst du dir das?”, fragte Paul.

“Es sieht so, als ob alles Leben aus einer Quelle kommt, als ob eine Kraft alles lenkt, eine Grundschwingung des Universums alles bestimmt, das Leben eines jeden einzelnen.”

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Paul sah ihr nach, als sie ging. Wie schon bei Andra ertappte er sich bei unerlaubten Gedanken. Sie war groß, etwa 1,80 m, und ziemlich gebärfreudig gebaut. Wenn sie lachte, hatte sie richtig süsse Grübchen in der Wange und ihr süddeutscher Akzent machte sie auch nicht unattraktiv. Paul ermahnte sich in Gedanken zur Zurückhaltung und dachte an seine Frau und seine Kinder. Das große Feuer aus dieser Beziehung war sicher raus, aber sie respektierten und mochten sich immer noch sehr – in jeder Beziehung. Vor allem den Alltag bekamen sie geregelt, und das war eigentlich das wichtigste, wenn die grosse Liebe erst einmal nachgelassen hatte. Trotzdem, es juckte ihn immer noch, seine Anziehungskraft bei Frauen zu testen. Er war zwar groß, aber auch etwas übergewichtig und konnte sicher nicht als gutaussehend bezeichnet werden; seine Stärken waren eher Charme, Humor und gelegentliche Eloquenz. Monas Anblick, ihr lustiges Lachen, erzeugte jedenfalls dasselbe lästige Ziehen in der unteren Herzgegend, das er schon bei Andra gehabt hatte.

Er runzelte die Stirn und grinste dann in sich hinein. War das normal für einen Mann in seinem Alter oder fingen so die Wechseljahre an? Hörten sie - um Himmels Willen - womöglich so auf?!

Er dachte an den Abschied von seiner Familie. Nach den Berechnungen der Leute aus Knn mussten sie mit einer Abwesenheit von vielleicht einem halben oder dreiviertel Jahr rechnen, je nachdem, wie lange sie den Planeten Terkan erforschen würden. Er hatte seine Frau und seine Kinder dazu überreden können, ihn an der Reise teilnehmen zu lassen; diese historische Chance wollte er sich nicht entgehen lassen. Ähnlich erging es fast allen anderen, die an der Vorbereitung des Kontakts mit den Knn mitgearbeitet hatten; William hatte sogar Jane, seine Frau, dazu überreden können, mitzukommen. Nun, Williams Kinder waren schon erwachsen, Pauls waren jünger, sie würden nicht so lange ohne beide Eltern auskommen.

Zur Expedition waren noch eine ganze Reihe Experten gekommen: Elektroniker, Biologen und Ärzte, Techniker, diverse Naturwissenschaftler, Anthropologen, Ökonomen, Linguisten, auch zwei Künstler und zwei Schriftsteller waren an Bord. Nicht vermeiden liess sich, dass sich diverse Interessen­gruppen an dieser Expedition beteiligen wollten. Ein halbes Dutzend Politiker war dabei, das war ja noch verständlich; die Diplomaten sassen schon mit den Linguisten und den Anthropologen zusammen und entwarfen Strategien für eine Kontaktauf­nahme mit den Terkanern. Lästiger waren da schon die Vertreter aus der Industrie, die sich offenbar einen regen Handel mit anderen Welten vorstellten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welche Waren denn da mit welchem Aufwand verkauft und gekauft werden sollten. Die Krönung war allerdings Sergej Kunold, ein führender Vertreter der Allumfassenden Gemeinschaft, die seit fast 10 Jahren die größte Religionsgemeinschaft der Erde war und an den wichtigen Schaltstellen der Macht großen Einfluß hatten. Und ausgerechnet der war Leiter der Delegation geworden!

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Insgesamt bestand die Delegation von der Erde aus fast 300 Leuten, dazu befanden sich auf dem Schiff noch die Besatzung aus 200 Knn. Die waren ganz schön zusammengerückt, aber schliesslich hatte nach einigem Umräumen und Umbauen jeder der Expeditionsteilnehmer ein kleines, gemütliches Zimmer­chen von etwa 10 Quadratmetern bekommen, in dem es eigentlich an nichts mangelte.

Sie waren gerade rechtzeitig fertiggeworden mit der Einrichtung, denn jetzt begann der spannenste Teil der Reise, der große Sprung.

Sergej Kunold liess alle in der grossen Versammlungshalle zusammenkommen.

“Meine lieben Freunde, der grosse Moment steht bevor. Ich hoffe, dass sich alle Mitglieder der grossen Expedition vorbereitet haben. Alles Äussere und alles Innere möge gefestigt sein, die Kraft des allumfassenden Weltplans schwinge in uns.”

Es folgten einige Vorschriften über das Verhalten vor, während und nach dem Sprung. Paul hörte nicht sehr aufmerksam zu. Er wusste, was zu tun war; ausserdem nervte ihn Kunolds getragener Tonfall. Am Ende der Rede kam, was kommen musste.

“Wir wollen die KRAFT in uns wecken und stärken. Ist die KRAFT in uns, so können wir alles erreichen. Ströme in uns, KRAFT.”

Er breitete die Arme aus und führte dann die Hände in einem weiten Bogen an die Stirn. Alle taten es ihm nach. Die meisten Menschen waren ohnehin zumindest Sympathisanten der Gemeinschaft, viele andere machten um des lieben Friedens willen mit.

Obwohl er brav mitmachte, ödete Paul dieses Getue an, er war es auch nicht gewöhnt. Ein großer Teil der Expedition kam jedoch aus der Nord­amerikanischen Föderation, und dort war diese Gemeinschaft im Gegensatz zu Europa ausserordentlich stark vertreten. Ihm als naturwissenschaftlich orientierten Menschen ging dieses pseudowissen­schaftliche Gerede von irgendwelchen Lebenskräften auf die Nerven. Er erinnerte sich an einen Spruch von Einstein:

‘Alles soll so einfach gemacht werden wie möglich, aber nicht einfacher.’

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Diese Leute brachten beides auf einmal fertig: Einerseits wurden einfache psychosomatische Vorgänge wie eine nervöse Magenverstimmung zu einem “Schwingungs­problem” aufgebauscht, andererseits wehrte man sich gegen Forschungs­ergebnisse aus dem Bereich der Biologie und vor allem Biochemie, weil sie die Begründung von allem und jedem mit Hilfe der KRAFT störten. Es war bei den Allumfassenden wie bei jeder anderen Religion auch, und eine kühl-rationale Sicht der Welt war schon seit einiger Zeit nicht mehr so richtig in Mode, zuviele Probleme hatten technische Anwendungen dieser Wissen­schaften heraufbeschworen.

Immerhin hatte die Versammlung eines bewirkt, die Zahl der nägelkauenden und gehetzt blickenden Menschen auf höchstens ein Zehntel zu verringern. Religion, Opium des Volkes.

Die Versammlung war zu Ende und man begab sich auf die Zimmer. Paul winkte noch einmal im Vorbeigehen Mona zu, die ihn mit einem herzerwärmenden Lächeln bedachte. Er legte sich auf sein Bett und überlegte, ob er nervös werden sollte wegen des Sprungs. Die Knn vertrugen das, aber gab es eine Garantie, dass es die Menschen auch überstehen würden? Die SUN JESTER machte einen ziemlich vertrauenserweckenden Eindruck, obwohl sie bereits über dreissig Jahre alt war. An einigen Stellen konnte man trotz der sorgfältigen Wartung der Knn ein paar Abnutzungsspuren erkennen, aber die waren offensichtlich mehr optischer als technischer Natur.

Er schaltete den an der Wand befestigte Bildschirm ein, auf dem der Fortgang der Vorbereitungen angezeigt oder direkt übertragen wurde. Eine Außenkamera zeigte, wie antennenähnliche, über 100 Meter lange Gebilde seitlich am Rumpf ausgefahren wurden. Sie dienten dazu, dem vom Pulsresonanz­generator erzeugten Feld die Form zu geben, die für den Sprung nötig war. Die Knn waren ziemlich verschlossen, was die Technik des Sprungs anging, aber immerhin hatten sie verraten, dass die Kombination von Eintrittsgeschwindigkeit und Form des Feldes verantwortlich dafür war, an welcher Stelle man im Raum-Zeit-Kontinuum wieder auftauchte. Man musste ihnen schon vertrauen, sie hatten sicher auch kein Interesse daran, irgendwo im All zu verschwinden wie ein Hamburger in Kados Rachen. Trotzdem, nach dem Sprung waren die Menschen von den Knn abhängig, nur sie kannten den Weg zurück zur Erde. Hoffentlich.

Er spürte ein leichtes Vibrieren, der Pulsresonanz­generator nahm also seine Arbeit auf. Es würde etwa eine Stunde dauern, bis er seine Höchstleistung erreichen würde, und dann sollte nach den Berechnungen der Knn auch der Sprungpunkt erreicht sein. Zuweilen gab es auch noch kleine Stösse, weil der Kurs der SUN JESTER noch ein wenig korrigiert werden musste.

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Paul ging noch einmal in seinem Zimmer umher, um zu kontrollieren, ab auch alles an seinem Platz lag, dann legte er sich wieder aufs Bett und las auf seinem Kommunikator noch ein paar Seiten aus dem Forschungsbericht über ihr Ziel Terkan. Sie waren mittlerweile geimpft gegen diesen aggressiven Tetanuserreger und hofften, dass dies der einzige unbekannte einzellige Bewohner dieser Welt war, der ihnen so gefährlich werden konnte. Unter­suchungen von Bodenproben und einigen Insekten hatten keine Gefahr erkennen lassen, aber sie würden einige Tests machen, bevor sie auf die Oberfläche von Terkan heruntergehen würden. Paul wunderte sich über den Leichtsinn der Knn, so ungeschützt den Planeten zu betreten; war das nun Mut oder Übermut?

“Zehn Minuten bis zum Sprung!”, erinnerte eine freundliche Stimme aus dem Lautsprecher neben dem Bildschirm.

Paul sah hoch. Die Aussenkamera zeigte ein schwaches Glimmen um das Schiff, aber das Bild setzte sich nun in Bewegung, die Kamera wurde ins Schiff dirigiert, und das schöne Bild verschwand. Das Vibrieren im Schif war langsam, aber stetig intensiver geworden; es wurde Zeit, sich auf dem Bett festzuschnallen.

Er lag noch einige Minuten auf seinem Bett und spürte, wie er langsam richtig nervös wurde. Das Vibrieren wurde lauter, die Frequenz wurde größer. Dann zählte eine anonyme Stimme.

“Eine Minute bis zum Sprung!”

“Dreissig Sekunden!”

“Zehn Sekunden!”

Das Vibrieren wurde zu einem Kreischen.

“Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. Sprung!”

Er hatte das Gefühl, kreiselnd in einen Abgrund katapultiert zu werden. Er schloss die Augen, um das aufkommende Gefühl eines besinnungslosen Schwindels zu unterdrücken, aber es gelang ihm nicht. Vor seinen Augen tanzten weisse Kreise, das Blut wummerte in seinen Ohren.

Dann, nach einer erstaunlich kurzen Zeit, war es plötzlich ruhig.

“Wir sind im Terkansystem!”, meldete sich die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher nach einer kurzen Verzögerung.

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Dann, nach einer erstaunlich kurzen Zeit, war es plötzlich ruhig.

“Wir sind im Terkansystem!”, meldete sich die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher nach einer kurzen Verzögerung.

Paul versuchte, sich zu erheben, vergebens. Er hatte das Gefühl, als wäre er am Bett festgebunden. Sein Kopf schien nur zehn Prozent der sonst üblichen Gedanken zu enthalten und so reifte nur langsam die Erkenntnis, dass es nicht nur ein Gefühl war, sondern dass er sich schliesslich selbst auf dem Bett festgebunden hatte. Mühsam befreite er sich, dann gab er lallend die Meldung an den Zentralcomputer, dass er noch lebte.

Einige Zeit später erschien Sergej Kunold auf dem Bildschirm. Er wirkte wie frisch vom Galgen geschnitten.

“Keine Veluschte, scho scheins!”, stiess er mit vorstehenden Augen hervor.

Dann erschien neben ihm Andra, die übersetzte.

“Alle Mann auf ihren Posten, wie es scheint.”

Sie war einfach besser in Form als Kunold, Sport war eindeutig besser für die Kondition als heftiges Beten. Aber er wollte nicht lästern, sicher sah er kaum besser aus als Kunold.

Das Bild änderte sich, Oggrd tauchte auf dem Bildschirm auf.

“Wir sind etwa 15 Miliarden Kilometer von Terkan entfernt. Freunde von der Erde, sie sind offenbar alle wohlbehalten, aber erschöpft in diesem Sytem angekommen, ruhen Sie sich jetzt aus, wir werden es auch tun. Die nächsten Tage laufen auto­matisiert ab, unsere Routinechecks werden erst in zwei Tagen beginnen, wenn wir uns erholt haben und wieder absolut im Vollbesitz unserer Kräfte sind. Dann werden wir auch das Schiff drehen und mit dem Abbremsen beginnen.”

Paul hoffte, die Botschaft richtig verstanden zu haben. Irgendwie konnte er seinen Geisteszustand nicht richtig einordnen. Sein Denkvermögen war so hoch wie nach dem sechsten oder achten Bier, nur dass er nicht dieses dumpfe Trunkenheitsgefühl hatte. Es war so, als ob die Gedanken sich noch auf dem Weg durch das unendliche Universum befanden und ihn erst noch einholen mussten.

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Paul fühlte sich schlapp und müde, er schüttelte resigniert den Kopf und legte sich wieder aufs Bett. Das musste die Zeit­verschiebung sein, der Jetlag, wie bei einer Reise von Europa nach Amerika. Er tadelte sich in Gedanken. Dieser Scherz war so flach, dass er aufrecht unter dem Teppich seiner Kabine marschieren konnte, ohne sich den Kopf zu stossen. Er beschloss, die Augen zu schliessen und über einen besseren Scherz nachzudenken.

Kurze Zeit später wachte er wieder auf, weil er ein wenig durch­einander­gerüttelt wurde. Er sah auf die Uhr, gerade mal eine knappe Stunde hatte er geschlafen. Dann jedoch fiel sein Blick auf die Datumsanzeige, und sofort bekam er Hunger. Er hatte nicht eine knappe Stunde, sondern zwei Tage und eine knappe Stunde geschlafen.

Mühsam erhob er sich aus dem Bett, er fühlte sich um zwanzig Jahre gealtert. Sein Rücken schmerzte, kein Wunder, nachdem er so lange im Bett gelegen hatte. Sein erster Weg führte ihn in die Kantine. Vor seinen Augen entstand langsam, aber deutlich das Bild einer Tasse mit dampfenden, dunklen, duftenden Kaffee, der ihm von einer dunkeläugigen Schönheit angeboten wurde.

Die Wirklichkeit war weniger romantisch. Der Kaffee war zwar ganz brauchbar, kam aber in einem Kunststoffbecher aus einem schmucklosen Automaten mit roten Lämpchen. Dafür waren aber schon einige Leute in der Kantine, plauderten gutgelaunt miteinander, aßen oder schlürften einen Kaffee. An einem Tisch saß Hermfried, einer der Expeditionsärzte und studierte, an einem Sandwich kauend, die Anzeige seines Portablen. Er schaute hoch, als sich Paul zu ihm setzte.

“Da kann ich dich ja auch gleich mal durchchecken”, meinte er und nahm mit seinem Medikont eine schnelle Messung von Herzfrequenz, Blutdruck und Gehirnströmen vor. Die Werte wurde direkt in den Kommunikator gegeben und mit seinen Standardwerten verglichen.

“OK, sieht gut aus. EKG und Blutdruck im Normbereich, und das Muster der Gehirnströme weist keine Besonderheiten auf, wie es scheint.”

Hermfried war nicht der Prototyp des redseligen Zeitgenossen, deshalb hakte Paul nach.

“Wie sieht es denn insgesamt aus, sind alle gesund rüber­gekommen?”

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Hermfried grinste fröhlich.

“Um Oggrd zu zitieren: Einige mussten nochmal frühstücken. Ansonsten: Die Hälfte ungefähr ist wieder fit, die andere Hälfte pennt noch. Ich bin auch erst seit einer guten Stunde wach.”

Auf dem grossen Bildschirm an der Stirnseite der Kantine sah man den Weltraum, unendliche Weiten. In der Mitte des Bildes stand ein Stern, der deutlich heller war als die anderen.

“Ich habe eben einen der Knn gefragt, was das ist”, erläuterte Helmfried. “Die behaupten, das sei die Sonne von Terkan.”

Paul sah ihn fragend an.

“Wieso sagst du behaupten? Es wird wohl so sein.”

“Die können uns viel erzählen. Das kann irgendwo sein, auch in unserem Sonnensystem. Das könne doch auch einfache Computersimulationen sein. Wer beweist uns, dass da draussen überhaupt was ist?”

Paul grinste.

“Das Problem ist, existiert überhaupt etwas ausser dir? Beweise mal die Existenz der Aussenwelt! Wer sagt dir, ob überhaupt etwas ausser dir existiert? Kannst du sicher sein, ob ich nicht nur in deinem Gehirn oder dem, was du dafür hälst, existiere?” Er wurde ernster. “Das lässt sich zwar wirklich nicht beweisen, ist aber äusserst wahrscheinlich. Und zu dem Bild hier: Wir waren am Anfang auch misstrauisch, ob das Ganze nicht nur ein Scherz ist, unser Besuch aus den Weiten des Weltraums. Aber uns ist einfach kein Motiv eingefallen, warum jemand einen solchen Aufwand treiben sollte, um eine paar Leute zu verkaspern. Ne, lass mal, das ist schon alles echt.”

Dann ging die Tür der Kantine auf, und Kado kam mit Andra herein. Man begrüßte sich fröhlich und berichtete von den gegenseitigen Erfahrungen mit dem Sprung. Andra lästerte über die lächerliche körperliche Verfassung der Expedition.

“Allauord”, parodierte sie Kunold.

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“Alle an Bord, versteht doch jeder; ich weiß nicht, was du hast!”, meinte Paul mit gespieltem Ärger.

“Na, ernsthaft. Wir könnten die Zeit bis zu Landung auf Terkan gut mit etwas Sport vertreiben; das würde uns auch die Langeweile nehmen.”

“Kampfsport, was?”, fragte Paul vorsichtig.

“Warum nicht? Es kann ja ruhig eine von den defensiveren Formen sein: Aikido, Pa Qua, Wing Tsun oder sowas. Ich muss ja Rücksicht auf euer Alter nehmen, ins Schwitzen kommt ihr dabei auch so.”

Paul erinnerte sich mit Schrecken an seine früheren Versuche in Aikido, er war nicht gerade ein Konditionswunder. Obwohl, Spaß hatte es schon gemacht. Schließlich verabredeten sie ein tägliches Training für die nächsten Wochen, bis die SUN JESTER in den Orbit von Terkan eingeschwenkt war und die Vorbereitungsphase für die Landung begann.

Die nächsten Wochen verliefen, so wie sich das für eine ordentliche Reise durchs All gehörte, ziemlich ereignislos. Paul versuchte vergeblich, die Theorie von Hntn zur Reise durch die Sprungstellen zu verstehen, er war halt ein Generalist, kein Spezialist. Selbst die Physiker und Mathematiker im Expeditions­team hatten große Mühe, die Theorie ansatzweise nachzu­vollziehen. Irgendwann auf dem Weg zum Sportraum traf er Gregory Ginlew, einen ruhigen, ernsten Mathematiker.

“Wir kommen auch nicht so richtig dahinter. An mathema­tischen Inhalten finden wir Funktionentheorie und Differential­geometrie, das hat uns nicht überrascht. Das Ganze ist dann kombiniert mit Topologie, und die Querverbindungen sind wirklich sehr kompliziert und originell. Wir müssten eigentlich mal mit diesem Hntn sprechen.”

Er hatte das ganz ernst gesagt, aber bevor Paul zu einer seiner bei ihm selbst beliebten langatmigen Erklärungen ansetzen konnte, fuhr Ginlew mit einer kleinen abwehrenden Handbewegung fort.

“Ich weiß, er ist längst tot. Das Problem ist nur, die Knn hier auf dem Schiff sind mathematisch nicht so auf der Höhe und können uns nicht weiterhelfen. Na ja”, schloß er dann resignierend, “warum soll es uns hier besser ergehen als auf der Erde, da werden viele Artikel in Fachzeitschriften auch nur von einem halben Dutzend Kollegen einigermassen verstanden - einem halben Dutzend auf der ganzen Erde, wohlgemerkt.”

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“Ich erinnere mich”, sagte Paul, “das erste Drittel eines Vortrages auf einem Mathematikerkongress sollen alle Anwesenden verstehen, das zweite Drittel die Fachleute des entsprechenden Teilgebiets, das letzte Drittel noch fünf Leute auf der Welt – allerhöchstens.”

Sie zuckten beide mit den Schultern.

“Vielleicht kriegen wir das auf der Erde geregelt”, fuhr Paul fort. “Oder wir fahren mal mit nach Knn und unterhalten uns mal mit den Koryphäen dort. Es wird sich ja wohl noch jemand finden, der sich mit dieser Theorie auskennt.”

Paul ging weiter zum “Training”. Andra hatte sich als Expertin in vielen Varianten erwiesen und ihr Versprechen wahrgemacht, einen Stil zu wählen, der auch von alten Männern wie ihm noch ausgeübt werden konnte. Es war eine sehr defensiv ausge­richtete Form, die Elemente diverser Kung Fu – Stile, Wing Tsun und Aikido beinhal­tete. Schon nach kurzer Zeit war Paul mit Eifer bei der Sache, und das nicht nur, um Andra zu imponieren. Mit Freude bemerkte er, dass er von Training zu Training weniger früh ausser Atem kam und dass ihm auch das Treppensteigen wieder mehr Spaß machte.

Während dieser positiven Veränderungen näherten sie sich Terkan. Intensiv versuchte man, Spuren von elektronischen Signalen zu empfangen, aber die Technologie der Terkaner war offenbar noch nicht so weit fortgeschritten. Was wollte man auch verlangen, die Knn waren schliesslich vor wenigen Monaten zum letzten mal hiergewesen. Nur ein schwaches regelmässiges Signal in einem sehr kurzwelligen Bereich wurde empfangen, aber das konnte auch natürlichen Ursprungs sein.

Die Knn wählten bei der Annäherung an Terkan eine andere Strategie als bei ihrem ersten Besuch. Damals waren sie verfahren wie bei ihrem Besuch im Sonnensystem: Die SUN JESTER wurde relativ langsam abgebremst, um sie in eine kometenähnliche Umlaufbahn um das Zentralgestirn zu bringen, eines der beiden großen Landungsschiffe hatte sich dem Planeten schnell genähert, um ihn kurz zu erforschen, bei Bedarf hätte die SUN JESTER dann auch in eine Bahn um den Planeten gebracht werden können. Bei diesem Besuch wurde die SUN JESTER direkt auf eine Bahn um Terkan gebracht.

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Die Zeit bis dahin verging wie im Flug - wie auch sonst. Auch wenn sich weiter nichts ereignete, so mussten doch Geräte vorbereitet und die Aufzweichnungen über Terkan weiter vervollständigt werden. Beim Vorbeiflug an den 12 äusseren Planeten wurden grobe Untersuchungen der chemischen und physikalischen Eigenschaften durchgeführt, eben alles das, was unbemannte Raumsonden im Sonnensystem auch oft durchgeführt hatten. Die Zeit der Annäherung war für Paul allerdings sehr unterhaltsam. Mit Erstaunen stellte er fest, dass die von ihm so bewunderte Mona seinen dezenten Flirt­andeutungen nicht widerstand. Sie war verheiratet wie er und hatte einen fünfzehnjährigen Sohn, schien aber wie er selbst einem Test ihres eigenen Anziehungsvermögens nicht abgeneigt zu sein. Sie verbrachten also einen grossen Teil der Zeit miteinander, die neben dem Sichten der gesammelten Daten von Terkan, dem Entwerfen einer Expeditionsstrategie und dem Fitnessprogramm von Andra noch blieb. Zwar unterhielten sie sich hin und wieder auch über ernsthafte Themen, aber irgendwann, als sie William trafen, meinte der süffisant:

“Da hätten wir ja eine Kabine weniger herrichten müssen; ihr braucht ja nur noch eine.”

Jane stand neben William und hatte einen sehr tadelnden Gesichtsausdruck. Paul plagte nun sein schlechtes Gewissen etwas heftiger als sonst. Jane würde seine Frau nach der Rückkehr zur Erde sicher kaum im Unklaren lassen über sein Verhältnis zu Mona.

Er beschloss, einfach abzuwarten, was passieren würde und dachte an die Worte des grossen rheinischen Denkers Tünne Mann: “Et kütt wie et kütt.” Ungeschehen machen konnte er ohnehin nichts mehr.

Die Tage plätscherten ruhig dahin. Langsam wurde der künstliche Rythmus von Tag und Nacht auf die vorgesehene Landestelle abgestimmt. Lästig war dabei, dass die Tage auf Terkan gut zwei Stunden länger waren als auf der Erde, sodass sich bei fast allen ein Zustand dauernder Müdigkeit einstellte. Nun, auch das würde sich geben. Man begann, eine der beiden Landefähren mit dem Material zu beladen, was für die erste Erforschung von Terkan benötigt wurde. Die beiden baugleichen Fähren waren gut sechzig Meter lang, hatten eine Spannweite von mehr als fünfzig Metern und das Leitwerk war imposante fünfzehn Meter hoch. Die Menschen hatten ihnen wie schon dem Raumschiff eigene Namen gegeben, da die knnschen allzu unaussprechlich waren. So diente die BLUE ÖYSTER als Ersatzfähre und die SHOOTING SHARK wurde beladen. Das Timing war perfekt, denn als die SUN JESTER die Umlaufbahn um Terkan erreicht hatte, war die Beladung zu einem grossen Teil abgeschlossen. Was noch fehlte, sollte erst nach einem ersten Kurzbesuch mit einem der beiden kleinen Landefähren ausgewählt und eingeladen werden.

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Am Morgen des ersten Tages im Orbit von Terkan trafen sich alle Expeditionsteilnehmer in der grossen Versammlungshalle der SUN JESTER direkt neben dem Kommandoraum, wo Kado Einzelheiten zum Verlauf der nächsten zwei Tage bekanntgab. Teams wurden zusammengestellt, der vorgesehene Landeplatz beschrieben, die Zeit- und Einsatzpläne verteilt, und schließlich der unvermeidliche Segen der Allgewaltigen Gemeinschaft beschworen.

Während sich Mona und Paul in ihr Zimmerchen zurückzogen, traurig darüber, dass sie in den nächsten Wochen weniger Zeit füreinander haben würden, dachte Paul darüber nach, dass Monas glühende Bewunderung für Kunold wohl die einzige Sache war, die ihn an ihr störte. Bisher hatte er glücklicherweise dieses Thema als Gegenstand ihrer Gespräche stets umschiffen können, obwohl er bemerkt hatte, dass Mona über ihn offenbar dasselbe dachte wie er über sie und gern mit ihm darüber diskutieren würde.

Sie lagen gemütlich zusammen auf dem Bett, als die beschauliche Atmosphäre durch eine Erschütterung unterbrochen wurde, die sie fast auf dem Boden landen liess.

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Ab 22jul10: 204 Bes.